Jeder hat so seine Grenze was touristische Erlebnisse angeht, bei mir ist die Grenze bei Folklore mit Kindern. Uns war schon klar, dass es sehr touristisch zugehen wird bei der “zwei Tage, eine Nacht”-Tour auf dem Titikaka (sprich “titihaha”) See, also dürfen wir nicht meckern.
Morgens um kurz vor acht werden wir unserer Unterkunft abgeholt (warum sind die Peruaner eigentlich so verdammt pünktlich?!?) und zum Hafen gefahren. Dort versammeln wir uns mit anderen Touristen um unseren Guide und warte auf Anweisungen. Irgendwann geht es an Bord eines kleinen Schiffes, dort wartet auch schon ein Peruaner mit Panflöte und Gitarre auf uns. Während wir aufs Ablegen warten hören wir, welch eine Überraschung, “El Condor pasa” (wir haben das Lied in Peru schon soooo oft gehört). Dann kommt noch ein schmissiges Lied auf Quetchua und daraufhin zieht er mit Hut durch die Reihen. Sobald er von Bord ist, legen wir ab.
Bootchen fahren ist ja eigentlich eine unserer Lieblingsbeschäftigungen, allerdings sind wir beide nicht so 100% fit. Claudias Magen meckert und ich bin total übermüdet, weil neben unserem Hotel bis um zwei Party war und um drei das Baby im Nebenzimmer Hunger hatte. Also schlafen wir beide nach kurzer Zeit ein, viel zu sehen gibt es eh nicht.
Nach eineinhalbstündiger Fahrt kommen wir bei den schwimmenden Inseln Uros an. Früher war es eine große zusammenhängende Insel, wegen der Pandemie wurde die Attraktion aber in mehrere kleinere Inseln aufgeteilt. Wir fahren am einigen Inseln vorbei, an denen schon mehrere Boote mit Touristen angelegt haben und legen schließlich an unserer Insel an.
Dort warten schon ein paar barfüßige Kinder und Erwachsene in traditioneller Kleidung auf uns, um uns willkommen zu heißen und wir werden direkt auf eines der Schilf-Boote verfrachtet, zusammen mit ein paar Kindern von der Insel. Beim Ablegen des Schilf-Bootes verabschiedet uns ein Mädchenchor mit Gesang. Ein Mann mit langem Stab stakt uns venedigstlye durchs Wasser zu einer Stelle an der Schilf wächst und wir dürfen den inneren weißen Teil probieren, der nicht wirklich nach irgendwas schmeckt.
Inzwischen rücken die Kinder sehr nah an uns heran, was mir und den anderen ein bisschen unbehaglich ist. Sie studieren die lackierten Fingernägel von ein paar Frauen, flechten die Haare von anderen und greifen sich Handys, wo sie sehr gekonnt die Spiele ausfindig machen um zu spielen ?
Irgendwann fangen die Kinder an zu singen, in verschieden Sprachen, was schon sehr beeindruckend ist. Natürlich zielt das ganze auf Spendensammeln ab. Ich persönlich finde es nicht gut und den Kindern macht es auch keinen Spaß, glaube ich.
Zurück auf der schwimmenden Inseln gibt es ein paar interessante Erläuterungen zur Lebensweise, Kultur und Sprache der Menschen die hier leben. Die Urus leben seit 500 Jahren auf den schwimmenden Inseln. Ihre Vorfahren haben zunächst 150 Jahre nur in Booten gelebt bis sie irgendwann die Inseln gebaut haben. Der Hauptgrund, dass sie sich auf den See zurückgezogen haben war, um sich besser vor Invasionen zu schützen. Die Inseln bestehen unten aus einen schwimmenden Material und oben aus Schilf. Das Ganze muss immer wieder erneuert werden und so eine Insel hält bei guter Pflege ca 30 Jahre. Die Uros auf den Inseln sprechen auch kein Quechua, wie auf den anderen Inseln, sondern Aymara (und Spanisch). Es gibt auch eine Schule und sogar ein kleines Krankenhaus.
Auf der kleinen Insel leben 24 Menschen und sie leben vom Schilf, Fischfang, Handel und natürlich Tourismus. Danach werden wir aufgeteilt in kleine Gruppen und in das Haus einer Familie dirigiert. In jedem Haus leben ca. 5 Menschen und das Haus hat etwa 15qm. Wir fühlen uns etwas unwohl, die Privatsphäre anderer zu begaffen und verziehen uns nach kurzer Zeit wieder nach draußen.
Hier sind ein paar Verkaufsstände mit Handarbeit aufgebaut und wir haben irgendwo gelesen, dass die Dörfer von den Touranbietern nur sehr wenig bekommen, also kaufen wir auch was kleines.
Zurück auf unserem großen Boot geht es weiter zur Insel Amantani, wo wir bei einer Familie die Nacht verbringen werden.
Am Hafen warten schon Gruppen aus anderen Booten und Gruppen aus Einheimischen auf die jeweilige Zuordnung.
Zusammen mit einem Paar aus Lima (die Frau kommt aus den USA und kann praktischerweise übersetzen, wenn Claudias Spanisch am Ende ist) und einer alleine reisenden Frau aus der Dominikanischen Republik werden wir einem sympathisch wirkenden Paar zugewiesen und machen uns direkt auf den Weg zur Unterkunft. Das Zimmer ist sehr einfach aber sehr sauber, die extra Decken lassen auf eine kalte kommende Nacht schließen. Die Toilette ist ein Plumpsklo im Hof, aber das wussten wir schon im voraus.
Kurz nach der Ankunft bekommen wir ein Mittagessen serviert, es gibt Quinoa Suppe mit Gemüse und als zweiten Gang gebratenen Käse mit Reis, Mais und sehr leckeren Kartoffeln.
Da Claudia noch immer angeschlagen und mir nicht nach Wandern ist, verzichten wir auf den nächsten Programmpunkt “Wandern zum Aussichtspunkt” und machen es uns im Zimmer gemütlich. Wir haben zu wenig Wasser eingepackt und ich mache mich kurz auf den Weg ins Dorf. Hierhin verirrt sich wohl selten ein Tourist, aber alle grüßen freundlich und beim Dorfplatz finde ich auch einen kleinen Laden. Die Dame im Laden spricht nur Quechua, also kann ich mein bisschen Spanisch einpacken und trotzdem verlasse ich den Laden kurz darauf mit Wasser und Süßigkeiten.
Zitat von einer durchgefrorenen Claudia, die mit Handschuhen und Mütze im Bett liegt: “Weißt du was, ich wäre jetzt an liebsten Zuhause (in Dortmund) auf unserem schönen Sofa.” Sie ist ein Häufchen Elend.
Nach dem Abendessen steht noch ein Programmpunkt an: ein lokales Fest in traditioneller Kleidung. Wir sind nicht ganz überzeugt von der Idee, lassen uns dann aber doch darauf ein. Also wieder einen Poncho für mich und Kleid, Hemd, Gürtel und Schal für Claudia. So brechen wir mit unserer Gruppe und dem Gastvater auf Richtung Fiesta.
Die Musik ist lustig, es gibt Bier und es wird getanzt. Wir haben Spaß und werden mehr als entschädigt für den Rest des Tages.
Am nächsten Morgen nehmen wir Abschied von der Gastfamilie und fahren mit dem Boot zur Insel Taquile.
Bei der Insel angekommen, unternehmen wir eine kleine Wanderung zum Dorfplatz, wo uns eine kleine Musik- und Tanzshow geboten wird. Man darf auch mittanzen, da lässt sich Claudia nicht lange bitten.
Von dort aus geht es weiter zu einen Restaurant, wo es einen kleinen Vortrag zu lokalen Bräuchen gibt. Die Pommel und die Farbe an der Mütze sagen beim Mann aus, ob er verheiratet oder Single ist, bei der Frau bedeutet ein schwarzer Rock verheiratet und jede andere Farbe Single. Man gibt sich zur Begrüßung nicht die Hand, sondern nimmt ein paar Coca-Blätter und steckt sie in die Umhängetasche des anderen. Handarbeit ist hier übrigens Männersache.
Danach wird gegessen, es gibt frische Forelle aus dem See.
Nach dem kurzen Abstieg ans Ufer geht es drei Stunden lang zurück nach Puno, wo wir in den Van steigen und weiter Richtung bolivianische Grenze fahren, die wir morgen voraussichtlich überqueren.