Ohne Internet und mit kaum Geld, weil wir keine Möglichkeit hatten Geld zu wechseln, sind wir gleich nach dem Frühstück zur einer der Hauptstädte Boliviens, La Paz, gefahren- die zweite Hauptstadt ist Sucre. Die Fahrt in die Stadt rein war schon ein kleines Abenteuer aber Flo hat das super gemeistert. Man konnte wenige normale PKWs sehen, stattdessen hunderte von “Colectivos”, das sind Minibusse, die wie normale Busse fungieren. Wie die Fahrer aber durch die Schreibe sehen, ist mir ein Rätsel.

Unser gemütliches Frühstück
Die Sicht ist doch völlig versperrt…

Es war sehr laut und die Fahrer hupten ständig und drängelten sich vor; aus zwei Spuren wurden drei oder vier, wenn man Motorräder mit zählt. Wir sind durch das Armenviertel El Alto gefahren, das glich einem einzigen Markt, überall wurde auf dem Boden oder auf Tischen irgendwas verkauft. Je höher das Stadtteil, desto ärmer. Nachdem man für die Autobahn, die ins Zentrum führt, zahlen musste, wurde es viel ruhiger auf den Straßen und irgendwie kamen wir zu unserem Hotel.

Das ist noch relativ harmlos. Aber überall diese Colectivos und kaum normale Autos.
Erste Sicht auf La Paz

Während des Ausflugs auf den Inseln bei Puno, haben wir John kennengelernt, einen geselligen 49 jährigen Amerikaner aus Ohio. Abgesehen davon, dass er ein Trump – Fan ist, war er wirklich nett und Flo hatte sich mit ihm für eine Fahrradtour auf der “death road” in der Nähe von La Paz verabredet. Wir sind nach dem Mittagessen also in seinem Hotel gegangen, wo man die Fahrradtour buchen konnte und waren um 15 Uhr da. Zufälligerweise fing auch eine Walking Tour an, der wir uns prompt angeschlossen haben.

Wir dachten manchmal, dass die Peruaner etwas “befremdlich” sind mit ihrem Ritualen aber was wir auf der Tour über die Bolivianer gehört haben, war eine Stufe höher. Nach der üblichen Besichtigung der Kathedrale (wieder sah man die Verschmelzung von Christentum und indigener Kultur. Angeblich war selbst der Papst ganz schockiert über die Fassade der Kathedrale) und einem geschichtlichen Hintergrund (die Bolivianer hassen die Chilenen, weil sie nach einem Krieg den Zugang zum Meer an Chile verlorenen haben. Angeblich ist die Sache vor einem internationalen Gericht), ging es zum berühmten Hexenmarkt.

Oben an der Fassade der Kirche sieht man Pachamama mit gespreizten Beinen, die eine Pflanze gebährt. Die Figuren unten links und rechts kauen Kokosblätter.

Eigentlich ist es nur eine “Hexenecke”, einige Shops, in denen Verkäuferinnen, die von “witch doctors” ausgebildet werden, ihre Kräutermischung und andere Medizin und Opfergaben verkaufen. Viele Bolivianer nutzen wohl noch die traditionellen Kräutern und Hexenkunde wenn sie krank sind oder sonstige Probleme haben.

Egal für welches Problem, es gibt ein Elixier oder ein Kraut dafür. Wenn man möchte, dass sich jemand in einen verliebt, geht man mit dem Haar der Person zum Hexenmeister und zusammen mit anderen Elixieren und Opfergaben wird ein Ritual vollzogen und dann klappt das schon. Es gibt auch einen Gegentrank wenn man meint, dass man selbst verflucht wurde. Wie beim Voodoo, kann man auch andere verfluchen. Die Leute sind wirklich abergläubisch und alles wird von Hexenmeister gesegnet, Auto, Haus, Diplomarbeit, egal…. Bevor man ein Haus baut, gibt man der Mutter Erde eine Opfergabe und es muss immer ein Lamafötus mit dabei sein. Oft ist dieser Fötus mit Wolle in verschiedenen Farben, mit einer bestimmten Bedeutung, eingewickelt. Das Ganze legt man auf die Erde und es soll komplett verbrennen. Es gibt für alles was man möchte: Gesundheit, Familie usw. so kleine Zuckertafeln und die legt man alle dazu. Verbrennt es nicht, bedeutet es Pech und dann muss man weitere Reinigungsrituale durchlaufen und das Ganze nochmal versuchen. Die Agency unseres Tourguides macht es auch und auf den Tafeln waren Touristen aufgemalt. Unsere Tourguide meinte, die Opfergabe am Anfang des Jahres hätte ein großes Feuer (= viele Touristen ) verursacht und sie haben sich gefreut.

Das ist so ein Opferteller, mit dem dekorierten Lamafötus und den vielen quadratischen Süßigkeitentafeln mit Wünschen drauf. Unten sind Cocablätter und andere Kräuter. Das Ganze wird dann verbrannt.
Das ist kein Plüschlama

Soweit, sogut… Was uns aber wirklich etwas schockiert hat, war, dass manchmal, beim Bau wichtiger Gebäude oder sehr großer Gebäude, der Pachamama ein Lamafötus nicht reicht.

Es gibt hier sehr sehr viele Bettler und sehr arme Leute, alle 2 Meter… Auch heute noch, aber insbesondere in bis in den 90 er Jahren, gab es Häuser, in denen diese armen Menschen, die die Lust am Leben verloren haben, sich bis zum Tod mit purem Alkohol besaufen können. Es gab 2008 einen Dokumentarfilm darüber “cementerio de los elefantes”. Jedenfalls ist es angeblich so, dass manche sehr abergläubische Ingenieure/ Architekten solchen Leuten “anbieten”, ein Menschenopfer für die Mutter Erde zu sein. Sie bekommen also Alkohol bis zur Bewusstlosigkeit (nicht Tod) und werden dann quasi lebendig begraben. Dann wird das Haus darauf gebaut. Angeblich ist vor wenigen Monaten ein Mann aus so einem Grab entkommen.

Als die Kathedrale neu gebaut werden sollte, weil sie eingestürzt war, fand man im Fundament auch 2 Menschenopfer. Ist schon irgendwie ironisch, dass man für den Bau der Kathedrale den Beistand von Pachamama ersucht hat – durch gleich 2 Menschenopfer. Wir waren natürlich ziemlich schockiert aber die Tourguide fand es ganz in Ordnung, da die Menschen ja sowieso sterben wollen und so ihr Tod noch sinnvoll sei und es für sie eine Ehre sei so verewigt zu werden. Also das sind alles keine zuverlässige Informationen und ich habe auch ein wenig gegoogelt und tatsächlich auch was darüber gefunden aber ob die Quellen so zuverlässig sind, wer weiß. Vielleicht ist es einfach etwas was durchaus früher praktiziert wurde aber jetzt vielleicht nicht mehr…

Was aber auf jeden Fall praktiziert wird, ist das Alasitas Fest am 24.1. Da haben ab 11 Uhr alle Bolivianer frei, um um 12 Uhr den Gott Ekeko um alle möglichen Sachen zu bitten. Dieser Gott ist eine kleine Statue mir Schnurrbart. Er hat einen prominenten Platz in den Häusern vieler Bolivianer und wird mit Miniatur-Gegenständen behängt, Auto, Haus, Spielgeld, sogar Diplom/Visa usw. Wenn man möchte dass sich jemand in einen selbst verliebt, dann hängt man einen Huhn (Mann) oder Henne (Frau) an diese Statue dran. Man spricht Gebete und dann wird dieser Statue eine Zigarette (reiner Tabak) angezündet und sie bekommt auch Alkohol. Verbrennt die Zigarette gut, wird es ein gutes Jahr, verbrennt sie nicht, schlechtes Zeichen, dann wird es auch nichts mit dem Jahr – wahrscheinlich muss man dann zum Witch doctor, der hat dann ein Gegenmittel ?. Ein Tourist aus England ( ja, da wird health and safety groß geschrieben) fragte, ob es schon viele Unfälle gab, Häuser abgebrannt usw. wenn ein rauchender Gott im Haus ist, aber nein, das sei alles sicher.

Man kann Tausende von Objekte in Miniatur kaufen, die man dranhängen kann. Gibt’s das Objekt nicht – unsere Tourguide wollte z B. eine Kamera – kann man es sich für wenig Geld bei einem Spezialisten basteln lassen – ja, auch einen Raumschiff, wie ein Tourist nachfragte?. Diese Statue und die ganzen Sachen dran werden von den Hexenmeister UND den katholischen Priestern gesegnet, doppelt hält besser. Vermutlich machen nicht alle Priestern mit aber wohl viele.

So eine Statue des Gottes Ekeko, des Gottes des Überflusses, gibt’s bei vielen Bolivianern zu Hause. Rechts sind so Elixiere für verschiedene Zeremonien, die rote Flüssigkeit braucht man, wenn sich einer in einen selbst verlieben soll.
Die Tourguide erzählt uns was man da alles dranhängen kann. Spielgeld, das man mit echtem
Geld kauft zum Beispiel.
Unsere Tourguide zeigt uns ihr Miniaturköfferchen mit Pass und anderen Dokumenten drin und ihrer kleinen Kamera.
In diesem Shop kann man sich Sachen in Miniatur kaufen und bestellen.
Ein anderer Tourist zündet die Zigarette bei einer Statue an

Dieser Gott bedarf allerdings viel Aufmerksamkeit und zwar sollte die Familie, damit die Wirkung besser hält, jeden Donnerstag um 12 Uhr eine weitere Zigarette anzünden, das ganze Jahr über. Vergisst man das einmal, hat man schon wieder Pech. Oder, wenn man es wirklich nicht schafft, muss man wenigstens daran denken und sich beim Gott entschuldigen und der versteht es schon. Also ein Kettenraucher dieser Gott, auch noch nie gehört… Ganz schon viel Arbeit und Opfergaben. Eigentlich sollte die christliche Religion das ja obsolet machen, aber die Bolivianer vermischen beides einfach problemlos ?.

Na ja, es gibt auch die Möglichkeit, Autos jeden Samstag vor der Kathedrale in Copacabana segnen zu lassen. Man kauft alles was dafür notwendig ist (das sagt dann der Hexenmeister, hoffentlich kein Lamafötus), schmückt sein Auto und der Hexenmeister macht dann sein Ritual und das Auto geht nicht mehr kaputt?. Wir überlegen auch das mitzumachen aus Spaß ?. Mal schauen… Übrigens, die Föten werden nicht extra getötet, es gibt anscheinend etliche Fehlgeburten.

Nachdem diese Infos von unserer westlichen Touri-Gruppe verarbeitet wurden, gingen wir durch total schöne Gassen und den Markt und hatten ein wenig Zeit uns zu erholen, bevor der nächste Schocker kam: das San Pedro Gefängnis mitten in der Innenstadt.

La Paz ist von vielen sehr hohen Bergen umgeben.
Das ist das Bild einer “cholita”, einer Indigenen Frau.
Diese Statue soll eine Bierflasche symbolisieren. Am 11.10 gibt’s ein großes Fest, wo Leute diese Masken und Kostüme tragen werden, vielleicht bleiben wir solange.

Ursprünglich sollten ca 400 Insassen drin wohnen, jetzt sind es 2000. Etliche wohnen mit ihren Familien und Kindern da drin, sie müssen Miete zahlen für die Zellen, es gibt Restaurants, Shops, Friseure usw. Das Gefängnis verwaltet sich komplett selbst und sie haben einen oder mehrere Bürgermeister. Die Polizisten sind nur als Wache vor den Toren vor dem Gebäude und gehen sehr selten rein. Es gibt sehr einfache und verdreckte Zellen für wenig Miete und schöne Zellen mit TV und Jacuzzi für die Drogenbose oder Ausländer, die es sich leisten können. Vermutlich wird man umgebracht wenn man die Miete nicht zahlen kann aber man kann auch Geld verdienen im Gefängnis. Coca-Cola hat wohl einen Vertrag mit dem Gefängnis und überall soll Werbung sein und ausschließlich Coca -Cola Produkte verkauft werden. Dort gibt’s wohl auch das reiste Kokain in ganz Bolivien. Kinder schmuggeln es raus oder das Kokain wird in Windeln rausgeschmissen.

Es gab bis 2009 illegale aber akzeptierte Touristentouren und man konnte auch im Gefängnis übernachten. Nach einem Skandal – Touristen hatten auch Kokain probiert und ein Kameramann hat das gefilmt – dürfen keine Touren mehr angeboten werden, aber die Kokainproduktion wird weiter toleriert – und wenn man genug bezahlt, soll man trotzdem als Tourist reingehen können…

Da sind wirklich verurteilte Mörder, Vergewaltiger und vor allem Dealer drin und es herrscht eine brutale Hierarchie. Insbesondere Pädophilie werden im Brunnen im Hof getötet oder zumindest schwer verletzt. Es gibt auch die Regel, nicht die Frau eines anderen zu belästigen usw. Hört sich nicht nach einem Ort an in dem Kinder auswachsen sollten… Es gab schon Pläne das Gefängnis zu schließen, es existiert allerdings immer noch und es leben weiterhin Familien dort.

Das Gefängnis

Ein Tourist hat in Jahr 2000 einige Monate da gewohnt und 2003 ein Buch darüber geschrieben “Marching powder”, das in Bolivien verboten ist. Auch heutzutage gibt es einen obdachlosen Amerikaner der sich “Crazy Dave” nennt und angeblich wegen Kokainschmuggels 14 Jahre in San Pedro saß und jetzt jeden Tag um 12 Uhr auf dem Platz vor dem Gefängnis seine Story erzählt. Man muss einfach nur hingehen und er findet einen schon?. Mit dem Geld, das er von Touristen bekommt, bestreitet er seinen Lebensunterhalt und besticht die Polizisten, damit er weiter seine Story erzählen darf. Flo möchte ihn unbedingt kennenlernen, ich bin mir noch nicht so sicher?. Kann natürlich nichts passieren, ist mitten am Tag.

Abends haben wir noch einen eher schlechten Cocktailkurs besucht und Caipirinha gemacht. Wir haben uns aber nett mit den anderen aus der Gruppe unterhalten und einen Australier aus Melbourne kennengelernt, dessen Vater gebrauchte Autos verkauft. Vielleicht können wir ja schon unser Auto für Australien organisieren ?

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