Die Silberminen in Potosi, das steht schon sehr lange auf meiner Liste und nachdem ich mit mehreren Reisenden geredet habe, die es alle super fanden, freue ich mich sehr darauf. Natürlich habe ich auch ein bisschen Schiss, immerhin ist es echt tief in den Berg hinein, aber ich freue mich zu sehen wie hart die Menschen dort unter Tage arbeiten und Neues über den Bergbau in Bolivien zu erfahren.
Tja, da habe ich mich wohl gehörig getäuscht.
Eigentlich heißt es: wenn man eine etwas teurere Tour bucht, dann ist die auch besser. Also habe ich bei einer empfohlenen Agentur angefragt und eine, etwas teurere, Tour gebucht. Da Samstag ist, gab es einen kleinen Rabatt, samstags ist weniger los in den Minen, es ist ja Wochenende. Bis Dienstag will ich nicht warten (montags ist auch dicht), also starte ich an Samstag morgen um 8 zum Treffpunkt.
Wir üblich werden die verschiedenen Treffpunkte abgeklappert und wir sammeln uns alle bei der “Umkleidestation”. Die Gruppe besteht aus 5 Israelis, frisch aus dem Militärdienst, zwei Französinnen und mir. Wir ziehen uns Gummistiefel, Schutzhose, Jacke und Helm an und befestigen die Helmlampe.
Danach geht es zum “miner market”, einen kleinen Laden, wo wir Geschenke für die Bergarbeiter kaufen dürfen/sollen. Da wir sie bei der Arbeit stören und auch ein paar Fragen stellen wollen, bringt man ein paar kleine Geschenke mit. Wir haben die Wahl: Cocablätter, Zigaretten, Alkohol, Saft, Wasser, Schokolade und Dynamit.
Ich habe noch nie Dynamit angefasst, also kaufe ich eine Stange, mit Zünder und irgendeinem Beschleuniger. So ganz habe ich die Erklärung, was es ist noch verstanden. Dazu kaufe ich noch eine Flasche Wasser und Saft. Vom Markt aus geht es endlich Richtung Mine.
Unsere Führerin hat früher selber in den Minen gearbeitet und erzählt uns ein Bisschen über die Geschichte des Bergbaus. Früher war der komplette Bergbau in staatlicher Hand. Als es einen Zusammenbruch des Edelmetallmarktes gab, mussten 60000 Bergarbeiter entlassenen werden und das staatliche Unternehmen wurde geschlossen. Daraufhin wurden einzelne Stollen im Berg an Privatpersonen verpachtet, so findet heute der Bergbau statt. Es gibt also kein einzelnes großes Unternehmen, sondern viele kleine. Dementsprechend gibt es auch keine Sicherheitsrichtlinien, Arbeitsschutz, Kinderschutz usw.
Der Weg zur Mine ist auffällig trostlos, überall Müll und alles sieht heruntergekommen aus.
Bei dem Mineneingang angekommen gibt es ein paar Sicherheitshinweise und dann geht es los.
Direkt an Eingang gibt es einen kleinen Raum, hier werden dem Gott des Berges Opfer gebracht und um Schutz gebeten. “Außerhalb der Mine sind sie katholisch, innen glauben sie an die alten Götter”. Die üblichen Spenden sind Cocablätter, Zigaretten und Alkohol, hier wird aber auch jedes Jahr ein Lama geopfert und das Lamablut an die Wand gespritzt.
Nach unserer Opergabe, gehen wir in den Berg. Zunächst an den Gleisen entlang, hier ist der Weg noch relativ breit. Wir befinden uns auf ca. 4400m und das Atmen fällt eh nicht so leicht. Dazu kommt die stickige Luft, die Aufregung und die Maske, wegen dem Staub. Es geht gerade in den Berg hinein, nach 50m macht der Weg einen leichten Knick und wir sehen nur noch die Lichtkegel unserer Stirnlampen.
Neben uns im Gang sind Rohre auf Kopfhöhe, hier zischt es gelegentlich, vermutlich Druckluft für die Maschinen im Berg.
Der Weg wird immer enger und ich stoße mir ständig den Kopf und die Schultern an, obwohl ich schon sehr gebückt laufe.
Nach einer Weile treffen wir eine weitere Statue und spenden nochmal Alkohol für eine sichere Bergtour.
Wir zweigen vom Hauptweg ab und biegen in einen (noch) kleineren Seitenstolle ein. Ich habe schon keine Lust mehr Fotos zu machen und versuche einfach nur durchzuhalten. Auf den Boden steht eine 1cm hohe Brühe aus gelben und grünem Schlick, wir gehen sehr gebückt und stoßen trotzdem ständig an. Es wird immer wärmer und ich bin schweißgebadet. Spaß habe ich eigentlich schon keinen mehr…
Nach einer Weile hält die Führerin an und fragt mich, ob ich das Dynamit dabei hätte. Klar! Sie sagt ich könnte es entweder später verschenken, oder wir sprengen es einfach hier im Stollen. Hier im Stollen?!? Ja klar, sie würde sich auskennen und wir gehen ja schließlich ein Stück zurück. Einer der Israeli hat sich vorher als Sprengstoff-Experte vorgestellt und das Dynamit inspiziert und als echt befunden. Er schüttelt nur ungläubig den Kopf.
Das ist dann auch der Punkt, an den ich mich entscheide die ganze Tour abzubrechen. Die Vorstellung noch weiter zu gehen in noch engeren Gängen, bei noch mehr Hitze und schlechterer Luft gefällt mir gar nicht und mir geht es auch nicht so prächtig. Ich rede mit der Führerin, der Weg zurück ist eigentlich einfach. Der Gedanke die weite Strecke alleine zu gehen ist nicht prickelnd, aber die Alternative ist noch schlimmer. Kaum habe ich das geklärt, sagen die zwei Französinnen, dass sie auch raus gehen, also sind wir schon zu dritt, umso besser.
Wir schauen noch ein bisschen zu, wie der Sprengstoff vorbereitet wird, wollen dann aber doch etwas mehr Abstand gewinnen als die Führerin vorschlägt (das wären dann nur 10m gewesen).
Wir gehen ein Stück und warten. Dann kommt ein lauter Wumms und eine Druckwelle. Das ist für uns das Signal den Rückweg anzutreten. Wir verabschieden uns kurz und marschieren los.
Verlaufen können wir uns kaum, nach unserem kleinen Stollen kommt der größere und dann geht es den Gleisen entlang. Im größeren Stollen angekommen gibt es ein paar Stellen, an denen man aufrecht stehen kann, dort machen wir eine kurze Pause und trinken das Wasser, das für die Bergleute vorgesehen war. Die Luft wird besser und irgendwann sehen wir dann Licht an Ende des Tunnels.
Als wir später den Rest der Gruppe treffen, stellt sich heraus, das der Weg noch wesentlich beschwerlicher wurde als erwartet. Teilweise mussten sie auf allen Vieren durch enge Gänge kriechen und es war sehr heiß. Die fünf sahen ziemlich fertig aus…
Natürlich bin ich ein bisschen traurig, ich hatte mich sehr darauf gefreut zu sehen, wie in Bolivien unter Tage gearbeitet wird. Ich glaube ich hatte auch echt Pech mit meiner Tour, andere Touren waren anders. Trotzdem bereue ich es nicht, es war ein Erlebnis und ich bereue ganz bestimmt nicht, umgekehrt zu sein 🙂
Es ist noch nicht dort und wir fahren noch zu einer warmen Lagune etwas außerhalb von Potosí.
Eine indigene ältere Frau, die für Aussicht hat eilt schnell zu uns und erzählt uns viel über die Lagune. Hauptsächlich Horrorgeschichten, wie Touristen darin gestorben sind. Tief unten ist das Wasser wohl sehr sehr heiß und es gibt unsichtbare Strömungen, die Menschen unter Wasser ziehen. Für uns sieht der See eigentlich sehr friedlich aus…
Abends gehen wir noch ins Kino, das erste Mal in Südamerika. Der Film handelt von einem alten Paar, das auf der Hochebene lebt und von dem Enkel besucht wird, der versucht sie zu überreden in die Stadt zu ziehen, weil der Mann gesundheitliche Probleme hat.