Morgens haben wir eine Walking-Tour im Stadtteil La Boca gemacht. Dieser Stadtteil war und ist immer noch ein Arbeiterviertel und in La Boca fand der erste (erfolglose) Siedlungsversuch von Pedro de Mendoza 1536 statt. Die Indigenen konnten die Europäer zurückdrängen. Einige Jahre später wurde ein weiterer Versuch unternommen, diesmal in der jetzigen Innenstadt und er war erfolgreich.

1860 rum entstand die erste Regierung und ein Wirtschaftsboom startete. Es gab viel Arbeit aber nur 2 Millionen Einwohner. Als der damalige Präsident 1876 eine große Einwanderungswelle startete (er versprach die Überfahrt zu bezahlen, freie Unterkunft und Arbeit), kamen innerhalb kurzer Zeit über 4 Millionen Einwanderer, meistens aus Italien und Spanien. Die Stadt Buenos Aires wuchs von ursprünglich 200.000 Einwohnern auf über 1.5 Millionen. Die meisten Einwanderer hatten nicht vor zu blieben und es gab den Spruch ‘Hacer los Americas”. Das hieß, hierher kommen, reich werden, zurückfahren.

Hat natürlich nicht geklappt und der Präsident hat sein Versprechen nicht gehalten, die Situation eskalierte. Entstanden ist ein Elendsviertel, wo ein kleines Zimmer (Küche/Bad teilte man sich mit hunderten anderen) teilweise teurer war als ein Hotelzimmer in Paris. Die Häuser wurden aus Schiffsresten gebaut und auch so bemalt. Ging eine Farbe aus, nahm man die nächste, so wurde das Viertel immerhin bunt. Irgendwann wurde der Hafen von “La Boca” nach Puerto Madero verlegt und La Boca wurde völlig vernachlässigt. La Boca kommt übrigens vom spanischem Wort “Mund” aufgrund der C-Form der Flussmündung.

Alles änderte sich mit Benito Quinquela Martin. Er war ein Weisenkind das mit 6-7 Jahren von einer Arbeiterfamilie adoptiert wurde. Er liebte diesen Viertel und wurde ein berühmter Künstler. Alle seine Bilder handeln von “La Boca” und er hat bis zu seinem Lebensende dort gewohnt. Er malte allerdings nicht das was er sah sondern seine Vision von La Boca. Zusammen mit anderen, fing er an seine Vision umzusetzen und das Stadtteil zu verändern. Jetzt ist La Boca, zumindest ein Teil davon, am Hafen, ein absolutes Touristenmagnet. Alles ist bunt und voller Leben, überall wird Tango gespielt und getanzt.

Im Hintergrund wird Tango gespielt

Tango ist nämlich auch in den Bordellen von La Boca entstanden und wurde von den Eliten in der Innensteht natürlich als viel zu obszön abgelehnt. Erst nachdem es in Europa an Beliebtheit gewann, wurde es euch von den Eliten hier getanzt. Zunächst war Tango sehr fröhlich. Als das Klavier dazukam, wurde es zu einer melancholischen Melodie.

Wir haben uns auch das Stadium der berühmten Boca Juniors angeschaut. Das Stadium sieht aus wie ein IKEA, denn einer der Gründer sagte, er stellt sich an den Hafen und die Farben der Flagge des nächsten Schiffes werden die Vereinsfarben sein. Nun gut, es war ein schwedisches Schiff. Die zweite Mannschaft in Buenos Aires heißt “River Plate” (unser Guide war ein river plate Fan, 6 Nationalspieler haben dort gespielt, wohl nur 1 bei la Boca – und Maradona). River Plate hat die Farben “rot” und “weiß”. In La Boca (und im Rest des Landes auch) gibt es so gut wie keine professionelle Feuerwehr. Zum Ehren der freiwilligen Feuerwehr gibt es ein Bild im Zentrum von La Boca. Die Feuerwehrmänner tragen dort die Farben der Mannschaft “La Boca”, blau und gelb und die sterbende Frau, die sie auf dem Feuer retten, die Farben von River Plate, rot und weiß.

Nach der interessanten Walking Tour sind wir durch den Stadtteil spaziert und haben noch Choripan auf der Straße gegessen, eine Art Hotdog. Wir haben auch erfahren, dass die Einwohner von La Boca sich sehr gegen Gentrifizierung wehren und es dort keine Ketten wie McDonald’s oder Starbucks gibt. Stattdessen gibt’s Bilder mit “República La Boca”.

Noch ein Fun Fact: ich hatte bereits geschrieben, dass viele aus der Mittelschicht zum Psychologen gehen. Der Guide, der uns durch la Boca geführt hat, war ein absoluter Fußballfan. Er war natürlich auch gestern beim Obelisk, um Messi und co zu empfangen. Als er gefragt wurde, ob er die ganze Nacht gefeiert hätte, antworte er, dass er leider irgendwann gehen musste, er hatte Therapie. Wir konnten es nicht glauben, dass einem Fußballfan die Therapie wichtiger war als dieser sehr besondere Tag für Argentinien:-).

Eine argentinische Süßigkeit und Spezialität