Wir haben nicht viel Zeit hier und daher wollen wir so viel wie möglich sehen. Um 10:30 Uhr fängt also unsere erste Walking-Tour an. Unser Hotel ist sehr gut gelegen, so dass wir innerhalb weniger Minuten beim Teatro Colon sind. Wir sind beeindruckt, dass die Stadt schon so früh relativ sauber ist. Leider regnet es hier momentan nicht und an vielen Ecken stinkt es nach Urin, da die Menschen am Vorabend keine Toiletten zur Verfügung hatten. Wir waren ja am Vorabend sehr froh, immer wieder ins Hotel zurückgehen zu können.

Buenos Aires wurde 1518 gegründet, war aber zunächst eine sehr unwichtigste Stadt, da es hier keine Ressourcen wie Gold gab. Erst im 17 Jahrhundert gewann es an Bedeutung. 1816 wurde Argentinien zwar unabhängig, es folgen aber viele Bürgerkriege. Erst 1862 beruhigte sich die Lage und Buenos Aires wurde zur Hauptstadt. Die Eliten wurden durch Export von Agrargütern reich und auch heute konsumieren die Argentinier selbst zwar kein Soja, aber exportieren es viel.

Die Eliten wollen Ende des 19/Anfang des 20. Jahrhunderts Buenos Aires zu einer sehr europäischen Stadt verwandeln. Einwanderung, insbesondere aus Europa, wurde sehr gefördert, nachdem ca. 50% der Einwohner an Gelbfieber gestorben sind. Es gibt hier eine sehr große italienische Community und auch die jüdische Community ist sehr groß. Dadurch gibt es hier einen koschen McDonald’s. Die einzigen zwei Terroranschläge in den 80er und 90er Jahren richteten sich explizit gegen die jüdischen Gemeinden. Wer die Anschläge verübt hat und warum die Regierung kein Interesse daran hat diese Anschläge aufzuklären ist ebenfalls unklar. Wir haben uns die Synagoge von außen angeschaut und gelernt, dass der Star Trek- Gruß von Spock ursprünglich ein jüdischer Segensgruß war. Zudem befinden sich am Tor der Synagoge 12 Teller aus Bronze, für die 12 Stämme. Dadurch möchte die Synagoge zeigen, dass alle jüdischen Gruppierungen willkommen sind.

Im Zuge der Europäisierung der Stadt sind viele Villen/kleine Paläste nach europäischem Vorbild gebaut worden, wobei ein Mix aus vielen Stilen entstand. Wir kennen uns nicht aus mit Architektur, daher haben wir uns eher die Anekdoten/Geschichten rund um die Gebäude gemerkt, zum Beispiel

1) Argentinien war bis 1983 eine Diktatur. Der Diktator wurde 1985 verurteilt. Auf Amazon prime gibt’s eine Serie über diese Verurteilung. Wir haben auch viel über diese Diktatur erfahren, zum Beispiel, dass über 30.000 Menschen in den 70er/80er verschwunden sind. Während der WM 78 wurden wohl noch mehr Menschen als sonst gefoltert, da die Bevölkerung mit Fußball beschäftigt war. Die Mütter/Omas der Verschwundenen haben eine Organisation gegründet und haben jeden Donnerstag vor dem Parlamensgebäude protestiert und Aufklärung gefordert. Die Organisation ist immer noch aktiv denn unter den Verschwundenen gab es auch schwangere Frauen. Die im Gefängnis geborenen Kinder wurden von anderen Familien adoptiert. Die Organisation versucht durch DNA Tests die Enkel mit der Ursprungsfamilie zu vereinen – mit Erfolg. Über 100 solcher Kinder hat man ausfindig machen können.

2) die Elite hat versucht, in Buenos Aires europäische Gebäude zu errichten. Das ging soweit, dass manche Dächer eine Vorrichtung haben, um das Dach vor zu viel Schnee zu schützen. Das Problem ist, in Buenos Aires schneit es eigentlich nie.

3) eine sehr reiche Dame hat sich ein Palast gebaut und einige hunderte Meter weiter eine eigene Kirche. Sie war sehr stolz darauf, dass sie von ihrem Zimmer aus die Kirche sehen konnte. Einer ihrer Söhne wollte eine Frau aus einer neureichen Familie aus Irland heiraten. Seiner Mutter passte die potentielle Schwiegertochter nicht und hat ihn vor die Wahl gestellt: wenn er sie heiratet, wird er enterbt. Er hat sich für “Geld” entschieden und gegen die Liebe. Aus Rache hat die potenzielle Schwiegertochter das Land zwischen der Kirche und dem Palast der potentiellen Schwiegermutter gekauft und ein Hochhaus errichten lassen, so dass diese ihre Kirche nicht mehr vom Zimmer aus sehen konnte. Zudem hat sie die Straße, durch die die ältere Dame zur Kirche laufen musste, nach sich selbst genannt.

4) San Martin (kein Heiliger, er heißt nur so), war ein General der sowohl in Chile als auch in Argentinien viel dazu beigetragen hat, dass sie unabhängig wurden. Als Chile in Santiago de Chile eine Statue zum Andenken an San Martin gebaut hat, wollte Buenos Aires auch eine. Sie haben den gleichen Architekten beauftragt, die gleiche Statue wie in Santiago zu bauen.

5) in Buenos Aires gibt’s sehr viele Hundebesitzer und in vielen Parks Hundespielplätze.

6) Seit 15 Jahren in etwa ist es total “in” zum Psychologen zu gehen. Jeder der sich zur Mittelschicht zählen möchte geht zum Psychologen. Unsere Guides auch, sie “lieben” ihren Psychologen und erzählen stolz, dass sie dahingehen. War für uns sehr befremdlich, aber im Grunde fanden wir es gut, dass es dort normal ist sich vom Psychologen zu beraten.

7) Die Inflation ist extrem hoch, im letzten Jahr 100%. Die Leute versuchen ihr Geld in Dollar zu tauschen. Es gibt hier ca. 18 verschiedene Dollarkurse, Soja -Dollar, Coldplay Dollar für ausländische Musiker usw. Für uns ist der Blue Dollar interessant. Argentinier dürfen auch sehr wenige Pesos offiziell in Dollar umtauschen (200 Dollar pro Monat) und auch mit Kreditkarte ist es sehr limitiert wieviel man pro Monat im Ausland abheben darf. Die Argentinier die nach Quatar geflogen sind, haben ihre Dollars auf dem Schwarzmarkt gewechselt. Der Schwarzmarkt ist illegal aber akzeptiert.

8) Seit wir in Argentinien sind, haben wir immer wieder das Schild “Malvinas son Argentinas” oder “40 anos Malvinas” gesehen, auf Bussen z.B. Die Guide erzählte uns, dass sie ein Nationalsymbol seien. In einen sehr bekannten Fußballlied zur WM jetzt (Muchachos von la Mosca), kommen sie auch vor. Wir hatten schon vorher herausgefunden, dass die Malvinas die Falklandinseln sind. Wir haben nun auf unserer Tour Fakten über den Falklandinselnkrieg zwischen den Briten und Argentiniern 1982-83 erfahren und auch, dass die Briten den Krieg gewonnen haben und also die Inseln den Briten gehören. Die Einwohner sprechen Englisch und in Befragungen möchten sie zu 99% auch britisch bleiben. Für uns war es ein großer “Aha” Moment, denn wir haben ja überall diese Schilder gesehen und dachten die Malvinas gehören Argentinien. Das wird hier auch jedem Kind seit dem Kindergarten beigebracht. Schon komisch, dass die Falklandinseln mit Einwohner die sich absolut nicht argentinisch fühlen, ein Nationalsymbol Argentiniens sind… Die Beziehung zwischen Argentinien und England ist daher nicht die beste. In einem weiteren Fußballlied das wir gehört haben, heißt es zum Beispiel “jeder der kein Engländer ist, soll hochspringen” und auch Maradona hat 1986, 3 Jahre nach dem Krieg im Viertelfinale wohl seinem Team gesagt, dass sie sich nun für den verlorenen Krieg revanchieren können. Eines seiner beiden Tore war ein Handspiel das gewertet wurde. Darauf angesprochen meinte er, es sei die “Hand Gottes” gewesen. Diese Referenz zu der “Hand Gottes” findet man hier oft.

Nachmittags haben wir eine Graffiti/Streetarttour gemacht. Der Guide kannte alle Künstler persönlich und hat uns interessante Geschichten über die Entstehung/Bedeutung der Bilder erzählt. Einige Symbole wie die “Hand Gottes” oder das weiße Kopftuch der Mütter/Omas, die die verschwundenen Kinder suchen, haben wir in den Bildern wiedergesehen.

Referenz zum Napoleon-Bild.
Minderheiten sollen im öffentlichen Raum sichtbar gemacht werden
die weißen Kopftücher bestehehend aus weißen Stoffwindeln
der “Mastermind” der die Welt durch Knöpfe drücken beherrscht
sind wir Zuschauer Teil des Fotos?

Nachdem wir es uns mit Aperol Spritz und Fernette-Cola, das hier sehr viel getrunken wird, und später mit einem Abendessen in einer uns empfohlenen Parilla (Steakhaus) gestärkt haben, sind wir um 22 Uhr zu einer Tangoshow gegangen. Wir waren ganz erstaunt wie leidenschaftlich aber auch sehr flink sich die Tänzer bewegt haben. Es war ein wunderschöner Abend. Da unser Hotel so zentral lag, konnten wir auch Mitten in der Nacht zum Hotel laufen und die Feierstimmung noch miterleben.