Vor 20 Jahren habe ich Tom und Gloria in Russel, im Norden Neuseelands kennengelernt, dieses Wochenende werden wir sie besuchen.

Es fühlt sich ein bisschen an, wie nach Hause zu kommen. Liebe Menschen mit denen man lange Gespräche führt, ein richtiges Bett und sehr leckeres Essen. Wir verbringen drei Nächte bei ihnen und haben eine super Zeit. Tom und Gloria haben eine große Familie und eine interessante Familiengeschichte. Sie ist halb Maori, halb Chinesin, er hat englische Vorfahren. So bekommen wir in kurzer Zeit viel Einblick in drei Welten, die auch von Vorurteilen, Rassismus und Ausgrenzung geprägt wurden. Beide sind schon lange in Rente, haben 4 Kinder und drei Enkelkinder.

Am Sonntag wird Hāngī gekocht und der Teil der Familie eingeladen, der in der Gegend wohnt. Also kommen mittags drei Töchter, ein dazugehöriger Ehemann (der einem norwegischen Troll gleicht) und ein 15-jähriger Enkelsohn, der die gleiche Frisur wie ich hat. Auch dabei ist die Schwester von Gloria und ihr neuer Partner. Tom und ich bereiten das Hāngī vor, schon um 8 geht es los, damit es zum Mittagessen rechtzeitig fertig ist.

Hāngī wird klassischerweise in einem Erdloch zubereitet. Dafür wird in einem Loch im Boden ein Feuer gemacht und darauf Steinplatten gelegt. Sobald das Feuer runtergebrannt ist, werden Körbe voller Essen darauf gelegt. Das Ganze wird mit einen Tuch bedeckt und dann mit Erde verschlossen. So dampft-gart das Essen mit und in seinem Saft für etwa vier Stunden. Man macht das bei Familienfesten und größeren Versammlungen, weil es nicht viel Arbeit ist und man sehr viele Menschen auf einmal satt bekommt.

Heute gibt es etwas modernere Hāngī-Öfen, für die man kein Loch im Garten graben muss und die mit Gas beheizt werden. Die Konstruktion erinnert mich ein bisschen an die Dampfaufsätze für Woks.

Das zusammenbaute Teil
Die Heizplatte, hier sammelt sich die Flüssigkeit und der Wasserdampf entsteht.
Die verschiedenen Gitter
Eine Lage Kohl in jedem Gitter, damit nichts durchfällt
Ein Berg aus Fleisch: Schwein und Huhn
Ein Berg Gemüse: Kürbis, Kartoffel und Süßkartoffel
Mehr Kohl
Stapeln und Deckel drauf
Eine extra Lammkeule, damit keiner verhungert
Nach vier Stunden ist das Fleisch gut durch
Das Buffet ist eröffnet

Langsam trudelt die Familie ein, wir sitzen viele Stunden gemütlich zusammen und unterhalten uns lange. Wir verstehen uns auf Anhieb mit allen gut, die anderen sind etwa in unserem Alter. Mein Vater war schon öfter zu Besuch hier und ich kann verstehen, warum es ihm immer wieder hierher zurückgezogen hat. “I thought a young Wolfgang would sit on the deck” bekomme ich oft zu hören, liegt wohl an den Haaren. Auch auf der anderen Seite der Welt haben die Menschen die gleiche Wünsche und Sorgen wie wir bei uns.

Als alle weg sind stellen wir etwas traurig fest: keiner hat ein einziges Foto gemacht! Sehr schade, aber trotzdem werden uns der Tag und die Menschen noch lange in Erinnerung bleiben.

Am nächsten Morgen brechen wir nach dem Frühstück auf, unser kleiner Urlaub von der Reise ist vorbei. Wir stellen fest, dass wir unser Umfeld Zuhause doch mehr vermissen, als wir es bisher realisiert haben. Vielleicht ist deshalb der Abschied vom Tom und Gloria deshalb schwerer als erwartet.