Es ist WM Finale bei den fussballverrückten Argentiniern und das lassen wir uns nicht entgehen.
Die Argentinier haben es nicht leicht, das muss man zugeben. Zu der massiven Inflation im Land kommt die aktuelle Weltwirtschaftskrise hinzu. Die WM ist ein super Ventil von all dem abzulenken und, wie uns eine Argentinierin sagte, sie brauchen einfach mal was Positives. Es geht nicht nur um Fußball, sondern um gemeinsames Feiern, Hoffnung und Messi. Messi, Messi, Messi. Der neue Fußballgott verkörpert nach Maradona, der aus armen Verhältnissen kam, die Hoffnung auf bessere Zeiten.
An Nationalstolz mangelt es den Argentiniern jedenfalls nicht. Alles ist geschmückt mit Fahnen, viele tragen Trikots mit der Nummer 10 und im Fernsehen gibt es kaum andere Themen. Schon früher Regierungen haben WMs als willkommene Ablenkung von politischen Themen genutzt, aber da sind sie nicht alleine…
Unser Flugzeug startet eigentlich um 10:10 Uhr und dauert drei Stunden, das Finale beginnt um 12 Uhr Uhr. Wir gehen davon aus, das Ende der zweiten Halbzeit irgendwo an der Gepäckausgabe mit ein paar Touristen zu schauen.
Nachdem wir fast das Flugzeug verpasst haben, weil wir die falsche Zeit im Kopf hatten und die Check-In-Schlange überspringen mussten (und durften), startet das Flugzeug auch noch 20 Minuten früher! Der Kapitän sagt etwas an, was nach: “es sind eh alle da, also kann es losgehen” klingt. Während des Fluges macht der Kapitän Durchsagen zum aktuellen Spielstand und die Stimmung im Flugzeug ist schonmal gut, die ersten zwei Tore der Argentinier sind schon gefallen.
Wir landen dann auch 35 Minuten früher und auf dem Weg zur Gepäckausgabe stehen, vor einem Fernseher versammelt, viele Leute. Die erste Halbzeit läuft noch. Obwohl auch hier viele Touristen sind, steckt die Begeisterung der Argentinier uns alle an und wir fiebern mit. Ich würden ihnen den Sieg wirklich von ganzem Herzen gönnen, Claudia flüstert zwischendurch “Allez les bleus”, aber nur weil sie Mitleid hat, oder so 😋
Zur Halbzeit holen wir unsere Tasche von der Gepäckausgabe und suchen den nächsten Fernseher im Terminal. Noch mehr Menschen, noch mehr Stimmung. Dazu fast jeder Argentinier und jeder zweite Tourist im Messi Trikot.
Nach dem Ausgleich von Frankreich innerhalb von kurzer Zeit, bei dem alle Argentinier plötzlich sehr still werden, gibt es eine spannende Verlängerung und dann entscheidet Argentinien beim Elfmeterschießen das Spiel endlich für sich. Das Terminal rastet komplett aus.
Danach stürmen alle zum Taxistand und wir warten zwei Stunden, bis wir endlich dran sind. Als wir dem Taxifahrer sagen, wo wir hinwollen, schüttelt er nur den Kopf. Unser Hotel liegt beim Obelisk mitten in der Stadt, da gibt es kein Durchkommen mit den Auto mehr. Wir einigen uns darauf, dass er uns fährt soweit es geht und dann laufen wir eben weiter. Die Party ist in vollem Gange und wir quetschen uns mit Gepäck durch die Menge.
Nach den Check-In ziehen wir zum ersten Mal seit langer Zeit kurze Hosen und T-Shirt an, das Wetter ist ganz anders als in Patagonien, das freut uns sehr! Dann ziehen wir los uns das Spektakel anzuschauen.
"When in Rome, do as the Romans do"
Das nehmen wir uns sehr zu Herzen und so kleiden wir uns in der Tracht der lokalen Bevölkerung. Sprich: Fahne um die Schulter und Trikot sind angesagt.
Bei den sehr coolen Fangesängen sind wir leider nicht so textsicher, aber das stört uns nicht. Am häufigsten wird diese angestimmt:
Irgendwann finden wir sogar eine Pizzeria, die uns nach 20 Minuten Wartezeit reinlässt, wir haben seit vor dem Abflug nichts gegessen und in Buenos Aires hat praktisch alles zu.
Zurück Richtung Obelisk wird die Stimmung immer ausgelassener. Es riecht nach Alkohol, Pisse, Gras und Böller. Wir quetschen uns in die Menge, die sich scheinbar ziellos durch die Straßen wälzt. Am nächsten Tag haben wir erfahren, dass wohl 1.5-2 Millionen Menschen in der Innenstadt rund um den Obelisk unterwegs waren.
Es wird spät und das Publikum ändert sich. Während anfangs noch viele Familien mit Kindern unterwegs waren, sind es jetzt fast nur noch ziemlich aufgedrehte, besoffene junge Leute. Getrunken wird hauptsächlich “viajero”, dazu wird die untere Hälfte einer Plastik – Cola abgeschnitten und zu 30% mit Fernet und zu 70% mit Cola gefüllt.
Festival-Feeling kommt auf, es ist eng und wir schieben uns dicht an dicht durch die Straßen. Um kurz vor Mitternacht beschließen wir, dass wir genug haben und machen uns auf den Rückweg zum Hotel.