Ok, die letzten 10 Tage waren echt beschissen für mich, in vielfacher Hinsicht. Aber: es geht langsam wieder, auch wenn ich nicht so richtig gut sehe und kein helles Licht mag. Dafür haben wir die letzten Tage täglich Spanisch gelernt und wir haben Crazy Dave (und andere Gestalten) getroffen, das war schon sehr spannend.

Wer keine Lust auf Krankengeschichte hat, liest einfach unten bei “Crazy Dave” weiter.

Es fing alles mit den verfluchten Dumplings an, die haben mir eine ordentliche Lebensmittelvergiftung beschert, mit Schüttelfrost, Fieber, Kopfschmerzen, Kreislaufproblemen und, naja, ordentlichem Durchfall eben. Das ganze ging zwar nur einen Tag, hat mein Immunsystem aber komplett ausgeknockt und dann kam es zu einem heftigen Ausbruch von Herpes, der sich letztendlich auch auf die Hornhaut beider Augen ausgebreitet hat. Das fühlt sich in etwa so an, als hätte man mehrere Sandkörner im Auge und die gehen nicht mehr raus, tagelang, auch wenn man die Augen schließt. Also hat Claudia einen Termin für mich vereinbart (verheiratete Männer leben länger, weil sie früher zum Arzt geschickt werden) und ich kam in Behandlung. Dort bekam ich was gegen Herpes und was gegen die Schmerzen. Leider hat mir die Medizin komplett den Magen umgedreht und ich konnte das Hotel nur kurz verlassen. Die Schmerzen gingen durch die Medikamente auch nicht komplett weg, also hatte ich ein paar beschissene und schmerzhafteTage.

Letztendlich heilt es jetzt langsam aus und ich kann nach 10 Tagen auch wieder was unternehmen. Da war ein Treffen mit “Crazy Dave” genau das richtige.

Crazy Dave

Crazy Dave kommt ursprünglich aus New York und war dort drogenabhängig, bevorzugt auf Kokain, unter anderem auch, weil seine Frau fremdgegangen ist – eigentlich wollte er Rockstar werden und hat wohl auch in einer Band gespielt. Irgendwann bekam er ein super Angebot von seinem Dealer: ein Kurztrip nach Bolivien und auf den Rückweg 6 Bierflaschen mitbringen. Dafür hätte er $ 30.000 erhalten. Auch ihm war natürlich klar, dass es nicht ganz legal ist, aber er hat sich drauf eingelassen. Die 6 Flaschen enthielten jedenfalls kein Bier sondern flüssiges Kokain, 2.5 Kilo insgesamt. Am Flughafen wurde er hopsgenommen und hat 16 Jahre Knast bekommen.

Knast ist aber nicht gleich Knast, jedenfalls nicht in Bolivien. Er ist im berüchtigten San Pedro Gefängnis mitten in La Paz gelandet (wir haben schon darüber geschrieben). Das erste Jahr war wohl sehr schwierig, Amerikaner haben es besonders schwer. Aber irgendwenn hat er auch als Englischlehrer für die Kinder der Insassen gearbeitet, die auch im Gefängnis wohnen. Das hat er 1 Jahr lang gemacht, war aber nichts für ihn, denn die Kinder hatten keine Lust auf den Unterricht. Er hat diesen Job gekündigt und hat im Gefängnis einen Job in der Kokainproduktion bekommen und konnte so seinen Unterhalt und seine Kokainsucht finanzieren. Nach 14 Jahren kam er wegen guter Führung raus und ist angeblich clean – was wir eher nicht glauben…

Da er in den USA hohe Schulden wegen ausgeblieben Unterhaltszahlungen hat, lebt er heute noch in den Straßen von La Paz und erzählt jedem, der sich dafür interessiert, seine Lebensgeschichte gegen eine kleine Spende. Dafür muss man sich einfach um 13 Uhr auf dem Platz vor dem Gefängnis aufhalten und dann findet er einen schon (oder sein Kumpel, auch ein obdachloser Amerikaner der im Gefängnis saß). Während er so seine Geschichte erzählt, kommen verschiedene Leute vorbei und quatschen kurz mit ihm und mir uns. Ehemalige Schüler, die ihn begrüßen, alte Kumpels, die uns was verkaufen wollen (ein sehr teuer aussehendes Fernglas, vermutlich nicht ganz legal erworben) und dann noch ein Typ in Handschellen, mit Polizist. Dave und er quatschen kurz, er grüßt uns freundlich und nach einem Fistbump mit Dave und uns geht er zum Gefängnistor. Er ist ein Insasse, der den begleitenden Polizisten für einen kleine Freigang bestochen hat. Dave kennt ihn gut und auf die Frage, warum er einsitzt, erwidert Dave nur: er ist ein Mörder. Ich hab also gerade einen Fistbump mit einem Mörder gemacht, fühlt sich nicht gut an irgendwie.

Dave präsentiert sich und seine Geschichten sehr enthusiastisch, lebhaft und ein bisschen verrückt, keine Ahnung was an seinen Geschichten wirklich wahr ist. Er ist eine faszinierende Person, tut mir aber auch unendlich leid denn er scheint ein intelligenter Typ mit viel geschichtlichem Wissen zu sein. Er hat auch von seiner Kindheit erzählt und dass er gerne zurück möchte, das aber leider nicht möglich ist. Wir verabschieden uns mit einer Spende von ihm und wünschen uns Alles Gute.

Im Anschluss entspannen wir uns kurz in Hotel und gehen zu einem letzten Check ins Krankenhaus, wo mir die gute Genesung bestätigt wird. Damit sind auch die Tabletten hinfällig bzw. die Dosis kann verringert werdenund ich bin sehr, sehr erleichtert.

Zur Feier des Tages gönnen wir uns ein deutsches Restaurant, das erste seit mehr als drei Monaten und es ist köstlich ?. Unsere Spanischlehrerin hat uns den Tipp gegeben und gebeten zu sagen, ob es wie in Deutschland schmecken würde – das hat uns die Kellnerin auch gefragt, worauf ich “Como a mi madre” (wie bei meiner Mutter) geantwortet habe, was die Kellnerin gefreut hat.