Die Lady-Musgrave-Insel ist die südlichste Insel des Great Barrier Reefs. Die Wassertemperatur hier ist ein paar Grad kälter als bei den beliebtesten Inseln im Norden.

Das etwas kältere Wasser sorgt aber für einen schöneren Korallenwuchs und damit auch für ein besseres Schnorchelerlebnis.

Die 0.14 Quadratkilometer kleine Insel ist von einem 13 Quadratkilometer riesigen Korallenriff umgeben, das eine atemberaubende Unterwasserwelt mit einer Vielzahl an Korallen und Fischen bietet. Die große Lagune ist durch einen Rand aus Korallen geschützt und im Inneren kann man nicht nur gut ankern, sondern auch super schnorcheln, weil die Strömung schwach ist und keine großen Haie hereinkommen. Eine schmale Einfahrt ermöglicht es Schiffen bei Flut hereinzufahren. Es ist ein absolutes Paradies für Schnorchler. Auf der Insel leben aktuell etwa 180.000 sehr, sehr laute Vögel, die einfach überall sind. Vogelkacke auf den Kopf gilt ja als Glücksbringer und früher oder später hat es fast jeden von uns erwischt. Der Geruch ist entsprechend, wenn man Glück hat, kommt der Wind vom Meer. Außerdem gibt es einen sehr einfachen Campingplatz (es gibt nur ein Plumpsklo) auf der Insel. Hier werden wir die nächsten 4 Nächte verbringen. Handyempfang gibt es genauso wenig wie Strom, für Notfälle steht ein Funkgerät zur Verfügung.

Die Idee ist vor 5 Jahren in Bayern entstanden, wo wir uns mit Conny, einer alten Studienfreundin von Claudia, Charly, ihrem Partner, und ihren zwei Kindern getroffen haben. Conny lebt schon lange in Australien und es war klar, dass wir sie auch besuchen werden. Da liegt es doch auf der Hand was zusammen zu unternehmen und irgendwie passt mein lange gehegter Wunsch auf einer einsamen Insel zu übernachten sehr gut zu Charlies und Connys Wünschen. Er hat sowas ähnliches schon gemacht. Die fixe Idee stand somit und wurde irgendwann konkreter. Johanna, eine andere Studienfreundin von Claudia, war anfangs auch mit Mann und Kindern dabei, sie musste aber leider kurzfristig absagen. Mit dabei waren außerdem Freunde von Conny und Charly, ohne die das Ganze auch nicht geklappt hätte, sie haben nämlich ein großes Boot. Anders hatten wir auch nicht die Menge an Lebensmitteln, Kühlmitteln und Zelten auf die Insel schaffen können, die nötig sind. Letztendlich waren wir eine Gruppe von 19 Leuten: 8 Erwachsene und 11 Kinder von 7 bis 15 Jahren. Bis auf die letzte Nacht gab es sonst keine Camper auf der Insel, so dass wir uns schön ausbreiten konnten.

Tag 1: 06.04.

Die Gruppe reist auf verschieden Weise an. Die einen kommen mit den eigenen Boot, die anderen mit einem Charterboot und ein paar mit einer Touristentour. Wir kommen mit letzterem an, leider erst ziemlich spät am Nachmittag. Dafür können wir noch ein bisschen mit dem Glasbodenboot fahren und eine kleine geführte Tour auf der Insel mitmachen.

Wir erwarten die Ankunft des Bootes von Charlies Freunden Matt und Schalk (sprich: skalk), darauf befindeen sich neben dem Essen auch noch die Luftmatratzen für Claudia und mich. Als es dunkel wird ist klar: das Boot kommt nicht und wir machen uns Sorgen um die Leute auf dem Boot. Heute sind wir also nur zu zehnt auf der Insel: Conny mit Familie, Hanka mit ihrem Mann Pasquale und zwei Kindern und wir. Die letzten Snacks und übriggebliebenen Tütensuppen von Wandern werden aufgeteilt, zumindest die Kinder sind satt.

Zur Entschädigung schwimmt nicht weit von uns eine große Gruppe Delfine vorbei.

Danach gehen wir am Strand entlang, auf der Suche nach frisch geschlüpften Schildkröten. Wir haben gehört, dass sie nach Einbruch der Dunkelheit vom oberen Teil des Strandes zum Meer gehen. Die Gruppe löst sich nach einer Weile auf und ich habe tatsächlich das Glück eine über den Strand und ins Meer düsen zu sehen. Ganz schön schnell für so ein kleines Tier.

Vor dem Schlafen gehen Claudia und ich aber noch am Strand spazieren. Es ist Flut und die ersten Meter im Meer sind gut sichtbar dank hellem Sand und Mondschein. Plötzlich entdecken wir eine gemütlich daher schwimmende Schildkröte direkt vor unserer Nase. Sie lässt sich auch durch unser Licht nicht stören.

Kurze Zeit später und ein paar Meter weiter tauchen noch weitere große Schildkröten auf, wir schätzen, dass wir etwas 30 gesehen haben an diesem Abend. Auch eine Gruppe von Haien zeigt sich ganz nah am Ufer und wir vermuten, dass sie auf die frisch geschlüpften Schildkröten warten. Es handelt sich dabei um die ungefährlichen Black oder White Tip Fin Sharks, die bis zu 2.5m lang werden können. Wir sehen auch noch eine weitere Babyschildkröte, die sich durch den Sand kämpft, um dann im Meer davon zu düsen. Zum Glück nicht in der Nähe der Haie. Angeblich schafft es nur eine von 1000 Schildkröten überhaupt in den ersten Monaten zu überleben.

Dann werden wir leider Zeuge einer traurigen Geschichte: wir treffen auf eine kleine Schildkröte, deren rechter vorderer Flügel etwas eingeschränkt zu sein scheint. Was letztendlich dazu führt, dass sie ständig im Kreis unterwegs ist. Selbst wenn sie es ins Wasser schafft, kommt sie kurz danach wieder an Land an, weil sie einfach nur im Kreis schwimmt und angespült wird, anstatt ins Meer zu schwimmen. Wir begleiten sie sehr lange und hoffen, dass sie einfach links ein bisschen weniger kräftig arbeitet, um geradeaus voran zu kommen, aber es wird nichts. Es gibt nichts, was wir machen könnten und man soll eh nicht eingreifen, also überlassen wir sie nach etwa einer Stunde ihrem Schicksal. Haie müssen ja schließlich auch was fressen.

Ich verbringe die Nacht mangels Luftmatratze in der Hängematte, größtenteils unter der Plane, die unser Zelt vor dem Dauerbeschuss mit Vogelkacke schützt. Die Vögel machen aber so einen Lärm, dass es unmöglich ist zu schlafen.

Der Vollmond sorgt für viel Licht und so kann ich von der Hängematte aus die Vögel, das Meer und den Mond sehen. Zwischendurch raschelt ein größerer Vogel, der auf dem Boden lebt im Laub. Die sind super, weil sie Kakerlaken und Tausendfüßler fressen. Sie sind auch nicht sehr scheu und kommen schnell herangelaufen, wenn sie eine Kakerlake sehen. Kakerlaken sind nicht so schlimm, solange sie nicht die Beine hochklettern, der Tausendfüßler allerdings ist das einzige gefährliche Tier auf der Insel. Sein Biss ist nicht tödlich, aber er schmerzt für ein bis zwei Tage fünfmal schlimmer als ein Wespenstich. Leider versteckt er sich gerne in herumliegenden Sachen und kriecht in schmale Ritzen. Das Zelt muss also unter allen Umständen immer geschlossen sein! Schon am zweiten Tag hat sich tatsächlich einer in einen Tauchanzug versteckt. Mein Vorschlag den Anzug einfach zu verbrennen wird allerdings nicht beherzigt…

Tag 2: 07.04.

Die Nacht war super, auch wenn wir wegen des Lärms kaum geschlafen haben. Vermutlich bringt der Vollmond die Vögel durcheinander. Erst um zwei Uhr morgens wurde es ruhiger in den Bäumen, um fünf ging es dann wieder los.

Ich und Charly unternehmen morgens einen kleinen Schnorchelausflug über die äußere Kante des Korallenriffs und sehen ziemlich große Fische und auch ein paar Haie.

Dann kommt zum Glück auch das Boot an! Matt und Schalk (das ist kein Spitzname, er kommt aus Südafrika) kommen mit den Jungs an, ihre Frauen und Töchter kommen etwas später mit der gleichen Tour wie wir am Vortag. Die “Neuen” sind alle erfahrene Camper und das ganze Campingerlebnis bekommt einen neuen Level. Wir schleppen viel Equipment und riesige Kisten voller Eis und Lebensmittel vom Gummiboot (Dingy) zur Stelle, die wir als Küche auserkoren haben. Der Boden wird mir einer stabilen Matte ausgelegt und zum Schutz vor der Vogelkacke bauen wir ein größeres Pavilion auf, mit einer sehr stabilen Verankerung im Boden.

Jeden Abend ist eine andere Familie mit Kochen dran, bei 19 Leuten (davon 5 Teenager) kommt da ganz schön was zusammen.

Nachmittags fahre ich mit Charly, Matt und Schalk zum ersten Mal Speerfischen. Wir fahren mit dem kleinen Boot aus der Lagune heraus und Ankern am Rande des Korallenriffs. Hier fällt das Meer von etwa 5 Meter Tiefe abrupt auf etwa 15 Meter ab, der Rand ist gesäumt von wunderschönen Korallen in allen Formen und Farben und voller großer und kleiner Fische. Ich bin heute leider ohne Kamera unterwegs, weil ich die Hände freihaben möchte, auch wenn ich heute nicht selber schießen werde. Wir sind nur auf bestimmte Fische aus und es gibt sehr strenge Schonfristen und Mindestmaße für einige Fischarten, die wir auch einhalten. Speerfischen ist nicht mit Sauerstoffmaske erlaubt, mit Schnorchel ist es aber okay. Die anderen sind sehr erfahren und ich bin beeindruckt, wie tief sie tauchen können, dann still verharren, um den Fisch aus etwa 2-3 Metern zu schießen. Es gibt sehr viele große Fische, aber eigentlich sind wir nur an der Coral Trout interessiert, weil sie am besten schmeckt. Tatsächlich erwischen wir bei diesem Ausflug nur eine einzige. Jeder Schuss muss gut überlegt werden: die Harpune gibt nur einen einzigen Schuss ab, dann muss umständlich geladen werden. Erst sucht man einen passenden Fisch, stellt sicher, dass er groß genug ist, nähert sich sehr vorsichtig und versucht ihn dann zu schießen. Getroffene Fische werden sofort getötet und noch im Wasser ausgenommen. Das macht den Fisch länger haltbar und die kleinen Fische im Wasser freuen sich über das Futter. Das ist auch der kritische Moment, der größere Haie anlocken kann: Der getroffene Fisch zappelt natürlich kurz, die Vibration können Haie über sehr große Distanzen registrieren und dann kommen sie schauen was los ist. Am Menschen sind die aber gar nicht interessiert, nur an den Fisch an der Leine. Wir hatten aber keine Probleme, die anderen drei machen das schon sehr lange und kennen sich gut aus. Generell haben Haie kein Interesse an Menschen und solange man nicht im trüben Wasser in der Dämmerung schwimmt können die Haie einen gut erkennen und dann greifen sie auch nicht an. Haiattacken gibt es eigentlich immer nur, wenn das Wasser sehr trüb ist und der Hai die Menschen mit Robben verwechselt.

Während man schwimmt hat man viel Zeit die Natur zu bestaunen. Wir sehen natürlich viele Korallen, kleine und große Fische, ein paar etwa 2-3 Meter große Haie die um uns herum schwimmen, die sich aber nicht für uns interessieren, und eine Schildkröte.

Dann drehe ich mich zur Seite und mein Herz bleibt kurz stehen. Direkt neben mir schwimmt ein Mantarochen seelenruhig im Wasser. Er ist voll ausgewachsen, wie mir die anderen später bestätigt haben, und etwa 5 Meter groß. Ich schwimme neben ihm her und irgendwann direkt über ihn, nur etwa 5 Meter entfernt. Was für ein elegantes Tier! Er schwebt scheinbar mühelos mit ganz ruhigen Bewegungen, während ich kräftig Strampeln muss um nur kurz mitzuhalten. Ich ärgere ich mich kurz, keine Kamera zu haben, aber dafür kann ich die kurze Zeit, die ich ihn sehen kann ohne Ablenkung voll auskosten. Was für ein Erlebnis und was für ein Privileg dieses Tier in der Natur so nah zu sehen. Wie er im Sonnenlicht durchs tiefe Blau geschwommen ist, werde ich bestimmt nicht vergessen.

Den Rest des Tages entspannen wir uns in diversen Hängematten an Strand, Essen zusammen und genießen die Ruhe.

Zwischendurch ist die Aufregung groß! Eine Babyschildkröte ist tagsüber geschlüpft und am Strand unterwegs. Es ist Ebbe und die Schildkröte muss etwas 50 Meter bis zum Meer zurücklegen. Überall lauern die Möven und es ist absehbar, dass es eng wird. Da man sie nicht anfassen darf bekommt sie Geleitschutz bis sie es zum Meer geschafft hat.

Es wird immer windiger und dunkle Wolken kommen auf uns zu. Die Vorhersage hat Regen angesagt, es fängt aber ordentlich an zu stürmen. Wir befestigen die Zelte noch besser und machen uns auf eine unruhige Nacht gefasst.

Es kommt schlimmer als erwartet und ein kräftiger Tropensturm zieht über uns hinweg. Die Planen über den Zelten machen einen riesen Lärm, man hört nichtmal mehr die Vögel. Es regnet in Strömen, glücklicherweise ist die Insel aus Korallen, so dass fast alles sofort versickert. Dazu kommt ein Gewitter, das direkt über uns hinwegzieht. Blitz und Donner folgen direkt aufeinander und wir hoffen, dass die Bäume nicht vom Blitz getroffen werden und auf die Zelte fallen.